Bildungs- und Erziehungsziele, Schule und Lernen in Deutschland
Die Erkenntnis des Forschungsinstitutes für Familien-, Bildungs- und Erziehungsstudien GmbH ist, dass Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik durch eine multikulturelle, antiautoritär-permissive und ergebnis-egalitäre Geisteshaltung dominiert werden. Die antiautoritär-permissive und ergebnis-egalitäre Geisteshaltung wirkt sich im Ergebnis nachhaltig negativ auf kognitive Fähigkeiten und somit auf das Bruttosozialprodukt aus. Das Ziel sollte ein Bildungs- und Erziehungssystem sein, dass sich wieder am bestmöglichen Bildungsergebnis für jedes Kind orientiert, Eliten bildet und schwächere Schülerinnen und Schüler individuell fördert (aber auch fordert) und darüber hinaus sicherstellt, dass das Deutsche Bildungssystem sowohl im Ergebnis der Bildung als auch in der Umsetzung für alle gesellschaftlichen Schichten wieder zu den besten Bildungssystemen der Welt zählt.

Mittel- bis langfristig unterstützt das Institut Familie somit Forschung und Stellungnahmen für politische und gesetzgeberische Hinwendung zu einer Bildungspolitik, die das Bewährte festigt sowie neue und fundierte didaktische Erkenntnisse fortlaufend feinfühlig integriert.

Bildung und Erziehung werden in der Bundesrepublik zunehmend durch eine multikulturelle, antiautoritär-permissive und ergebnis-egalitäre Geisteshaltung dominiert - nicht jedoch durch Leistungsorientierung und Förderung der individuellen Stärken der Schülerinnen und Schüler. Die antiautoritär-permissive und ergebnis-egalitäre Geisteshaltung wirkt sich im Ergebnis nachhaltig negativ auf kognitive Fähigkeiten und somit auf das Bruttoinlandsprodukt aus (1). Deutschland hat in Sachen Bildung und Erziehung ein eklatantes Problem mit zahlreichen Defiziten hinsichtlich der Methodik und der messbaren Bildungsergebnisse. Die Moral, durchschnittliche Bildungsergebnisse, der Leistungswille und die Leistungsstärke von Schülerinnen und Schülern befinden sich trotz immenser Investitionen in die Bildung und trotz kleinteiliger Reglementierung durch Gesetze im dauerhaften Sinkflug. Das Deutsche Bildungssystem leidet spätestens seit der 1968’er Bewegung der sogenannten „Neuen Linken“ und aufgrund der föderalen Zersplitterung der Bildungslandschaft sowie aufgrund der diversen bildungspolitischen Reformen der letzten zwanzig bis dreißig Jahre unter einem systematischen und anhaltenden Verlust der akademischen Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen. Das wird durch PISA (2), TIMSS und weitere unabhängige Leistungstest aus Industrie (3) und dem Öffentlichen Dienst (z. Bsp. Eingangstests bei der Polizei und der Bundeswehr) in dramatischer Weise bestätigt (4). Fundamentale Ursache für diese negativen Ergebnisse im Bildungssystem ist sicher nicht eine zunehmende allgemeine Dummheit unserer Kinder. Wahrscheinliche Ursache ist nach Überzeugung des Forschungsinstituts der schleichende, aber nachhaltige Bedeutungsverlust von primären und sekundären Tugenden und Werten wie Respekt, Disziplin und Selbstdisziplin, Leistungsbereitschaft, Durchhaltevermögen, Ordnungsliebe und Pflichtbewusstsein aufgrund des Zeitgeistes und der relevanten gesetzgeberischen Wirkung der aktuellen Familien- und Bildungsgesetze. Untermauert wird diese These durch Forschungsergebnisse von Terrie Moffitt, einer Amerikanischen Bildungsforscherin, die nachwies, dass insbesondere Selbstkontrolle (oder Selbstdisziplin) im Kindesalter entscheidend für den Erfolg im Erwachsenenalter ist: “Unsere 40 Jahre dauernde Studie mit 1.000 Kindern offenbarte, dass die Selbstkontrolle im Kindesalter den Erfolg im Erwachsenalter sehr stark vorhersagt und zwar in Menschen mit hoher oder geringer Intelligenz, arm oder reich. Das Segment jener Erwachsenen mit dem größten Hang, aufwändige Planung zu vermeiden ist das gleiche Segment, welches später für die meisten Kosten der Gesellschaft verantwortlich ist.” (5) Auch die Psychologin und Bildungsforscherin Angela Duckworth stellte in einer Studie aus dem Jahre 2005 fest, dass der Grad der Selbstdisziplin bei der Vorhersage der Leistungsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern eine wesentlich wichtigere Rolle spielt, als der Intelligenzquotient (6). Aber gerade der zunehmende Verlust der sekundären Tugend Disziplin beziehungsweise der Selbstdisziplin bewirkt sowohl unter Lehrern und Lehrerinnen als auch bei Schülerinnen und Schülern allgemein eine zunehmende Laissez faire Haltung in Sachen Erziehung und Bildung, was wiederum eine stetige Abnahme des Leistungswillen und der Bildungsergebnisse bewirkt. Unverändert gilt die Weisheit „Für den Fleißigen hat die Woche sieben Heute und für den Faulen sieben Morgen.“ Ein guter und relevanter Indikator dafür ist das Mittel der Hausaufgaben.  Die Hausaufgabe ist eine einfache und bewährte Möglichkeit, das Erlernen von Selbstdisziplin mit der individuellen akademischen Weiterentwicklung durch Übung und Wiederholung varianten- und abwechslungsreich zu verbinden. Trautwein et al. stellten im Jahre 2001 in ihrer deutschlandweiten Studie „Bildungsprozesse und psychosoziale Entwicklung im Jugend- und jungen Erwachsenenalter" (BIJU) mit 2.123 Schülerinnen und Schülern aus 132 Klassen der 7. Jahrgangsstufe zur Auswirkung von Hausaufgaben im Mathematikunterricht in Deutschland (7) fest, dass im Verlauf eines Schuljahres die durchschnittliche Leistungsstärke von Schülern aufgrund der häufigen Anwendung des Lernmittels Hausaufgabe im Mathematik-Unterricht im Vergleich zu Schülern, die Hausaufgaben selten oder durchschnittlich oft erledigten, um 86% bzw. 120% höher war als jene der Mitschüler ohne häufige Hausaufgaben. Folgerichtig empfehlen die Ministerien über jeweilige Verwaltungsvorschriften (8) folgenden beispielhaften Umfang der täglichen Hausaufgaben: in den Jahrgangsstufen 5 und 6 bis zu 60 Minuten und in den Jahrgangsstufen 7 bis 10 bis zu 90 Minuten. Man möchte meinen, dass dies eine Binsenweisheit wäre – aber weit gefehlt. Eine nicht-repräsentative Befragung an einer Grundschule in Brandenburg offenbarte, dass entgegen dieser Fach-Empfehlung die Realität in allen Klassen zu etwa 90% von dieser Richtlinie abwich, also Hausaufgaben von den Lehrkräften nur in einem Umfang von 4-7% der tatsächlich empfohlenen Menge und Häufigkeit als Lern- und Wiederholungsmittel eingesetzt wurden. Und das hat an Grundschulen scheinbar Methode – mit fatalen Folgen für die kognitive Kompetenz unserer Kinder und das Bruttosozialprodukt in Deutschland. Das Unternehmen BASF führt seit Jahrzehnten Eignungsuntersuchungen mit Ausbildungsplatzbewerbern durch (9). Dabei werden unter anderen Parametern auch schulische Kenntnisse in Rechtschreibung und elementarem Rechnen erfasst. Zu erwarten wäre ein relativ stabiler Verlauf der Ergebnisse über die Jahre hinweg, tatsächlich ist jedoch seit 1975 ein nahezu kontinuierlicher Abwärtstrend zu verzeichnen. Der Anteil richtig gelöster Aufgaben zeigte im Jahre 2010 folgenden Trend gegenüber dem Jahr 1975 in der Rechtschreibung: Hauptschüler -26 %, Realschüler -24 % und beim elementaren Rechnen: Hauptschüler -39 %, Realschüler -28 %. Etwa ein Drittel schlechtere Ergebnisse innerhalb von 35 Jahren Schulbildung. Der mögliche Einwand, dass diese Daten nicht zwingend einen Querschnitt des jeweiligen gesamten Jahrganges widerspiegeln, ist berechtigt, jedoch ist der Rückgang richtiger Lösungen als Indikator für die Leistungsstärke eines gesamten Jahrganges (das heißt, für die kognitive Kompetenz der jeweiligen Bewerberinnen und Bewerber) aus Sicht bildungspolitischer Meinungsführer weiterhin überaus signifikant und kann mit Gegenargumenten hinsichtlich der möglichen Inhomogenität der Bewerberkohorte keineswegs entkräftet werden. Die Inhomogenität, beziehungsweise die mögliche Veränderung der soziologischen Zusammensetzung der Bewerberinnen und Bewerber und die daraus mögliche resultierende Veränderung der individuellen Fähigkeiten begründet den Rückgang der Leistungsstärke nicht hinreichend. Der Rückgang dieser elementaren Bildungsergebnisse wird nach Ansicht des Forschungsinstituts maßgeblich durch den schleichenden Werteverlust sekundärer Tugenden wie Leistungsbereitschaft, Disziplin und Durchhaltvermögen verursacht. Das Forschungsinstitut wird diese Zusammenhänge eingehend untersuchen und offenlegen. Hinreichend bekannt ist weiterhin und hier graphisch abgebildet, dass der Anteil leistungsstarker (also begabter) Schüler in Naturwissenschaften und Mathematik in Deutschland im internationalen PISA-Vergleich seit 2009 beständig abnimmt (die Lesekompetenz in dieser Gruppe jedoch ansteigt) (10). Tendenziell erscheint die Begabtenförderung in Deutschland viel Potential nach oben zu haben. Fähigkeiten und Bedürfnisse von begabten Kindern werden nicht ausreichend gefördert. In diesem Zusammenhang haben Rindermann und Thompson in ihrer Analyse aus dem Jahre 2011 „Cognitive Capitalism: The Effect of Cognitive Ability on Wealth, as Mediated Through Scientific Achievement and Economic Freedom“ eindeutig festgestellt, „dass die kognitiven Fähigkeiten für den nationalen Wohlstand von entscheidende Relevanz sind - insbesondere jene einer intellektuellen (begabten) Gruppe mit hohen kognitiven Fähigkeiten und Leistungen in Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik. Darüber hinaus sagt die kognitive Fähigkeit dieser Gruppe die Qualität wirtschaftlicher und politischer Institutionen voraus, die wiederum den wirtschaftlichen Wohlstand der Nation bestimmen. Kognitive Ressourcen ermöglichen die Entwicklung des Kapitalismus und den eine erhöhten Wohlstand.“ (11) Was tut die Bundesregierung mit diesen Erkenntnissen? Die Verantwortlichen investieren seit dem Jahr 2009 aufgrund Artikel 24 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) in Inklusion für 6 bis 7 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland mit sonderpädagogischem Förderbedarf als pädagogische Bildungsinitiative (12), sie senken das Anforderungsniveau der Ausbildung und der Prüfungen (13) und sie investieren im Rahmen des Digitalpaktes vorrangig in Informationstechnologie und Computer (14), während Verantwortliche in Ländern wie den USA und Australien den Umfang der Computer-Nutzung in Schulen bereits wieder reduzieren, da dies als wenig förderlich für die Erreichung von besseren Ergebnissen der Schulbildung erkannt wurde (15). Wünschenswert wären hierzulande vor allem wieder zielführende Methodik und bewährte Didaktik im Unterricht, um primäre und sekundäre Tugenden als Grundlage für Leistungswillen und Lernbereitschaft sowie als Basis für eine funktionierende, glückliche und belastbare Gesellschaft zu stärken. Die Politiker und Politikerinnen in Deutschland verbindet in der Verantwortung für Maßnahmen in der Bildung und Erziehung in der Regel eine erstaunliche Unkenntnis der Fakten, eine erhebliche Ignoranz gegenüber den Forschungsergebnissen, hilfloser Aktionismus, Kurzsichtigkeit und eine eklatante Ratlosigkeit über den bestmöglichen und effektivsten Weg, um die Ergebnisse der Bildung für alle Kinder zu verbessern – unabhängig davon, ob sie dem Klassenziel nacheilen, oder ob sie durchschnittliche oder begabte Kinder sind. Die Zeit ist reif für einen nachhaltigen und konsequenten Kurswechsel in der Bildungspolitik auf allen Ebenen. Um zum Beispiel der Hausaufgabe zurück zu kehren: Die heutzutage in den meisten Grundschulen etablierte Hausaufgaben-Phobie bei den Lehrkräften als ein Indikator fehlender Leistungsbereitschaft und ungenügender Ausbildung führt entsprechend der Analyse durch Trautwein et al. (16) im Vergleich zu früheren Jahrgängen zwangsläufig zu einer reduzierten Leistungsstärke der Schülerinnen und Schüler. Nach den Erkenntnissen von Rindermann und Thompson wird sich diese Situation zwar verzögert, aber direkt durch eine Verminderung des Bruttosozialproduktes und des allgemeinen Wohlstandes und der Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland auswirken. Politiker und Politikerinnen nehmen mit der Akzeptanz von Laissez faire und Antiautorität in der Bildung und in der Erziehung, mit der Akzeptanz des Verlustes von sekundären Tugenden und der Akzeptanz von sinkender Leistungsbereitschaft und sinkender Leistungsstärke an Schulen in Deutschland wissentlich eine schleichende Reduktion der kognitiven Kompetenz ganzer Jahrgänge sowohl im allgemeinen Durchschnitt als auch bei Begabten in Kauf und gefährden damit wider besseren Wissens die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand im Lande nachhaltig. 

Literaturquellen und Referenzen
  1. Heiner Rindermann und James Thompson: Cognitive Capitalism: “The Effect of Cognitive Ability on Wealth, as Mediated Through Scientific Achievement and Economic Freedom” in Psychol Sci. 2011 Jun;22(6):754-63
  2.    www.oecd.org/pisa/pisa-2015-Germany-DEU.pdf
  3.    Langzeitstudie über Rechtschreib- und elementare Rechenkenntnisse bei Ausbildungsplatzbewerbern, BASF SE, GPT/RP 11/2010
  4.    www.faz.net/aktuell/rhein-main/viele-bewerber-fallen-durch-sprachtest-der-polizei-14564248.html
  5.    2013 “Lifelong Impact of Early Self-Control. Childhood self-discipline predicts adult quality of life.” Terrie E. Moffitt, Richie Poulton and Avshalom Caspi in American Scientist, Volume 101
  6. Duckworth und Seligman: Self-Discipline Outdoes IQ in Predicting Academic Performance of Adolescents. Psychological Science, Vol. 16, No. 12 (Dec., 2005), pp. 939-944Published
  7.    U.TRAUTWEIN, O. KÖLLER und J. BAUMERT: „Lieber oft als viel: Hausaufgaben und die Entwicklung von Leistung und Interesse im Mathematik-Unterricht der 7. Jahrgangsstufe“ in Z.f.Päd., 47. Jg. 2001, Nr. 5
  8.    §146 und des §43 Absatz 2 Brandenburgisches Schulgesetz, Verwaltungsvorschriften über die Organisation der Schulen in inneren und äußeren Schulangelegenheiten (VV-Schulbetrieb - VVSchulB) vom 29. Juni 2010, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 10. September 2015
  9.    Langzeitstudie über Rechtschreib- und elementare Rechenkenntnisse bei Ausbildungsplatzbewerbern, BASF SE, GPT/RP 11/2010
  10. www.compareyourcountry.org/pisa/country/deu?lg=de
  11. Heiner Rindermann und James Thompson: Cognitive Capitalism: “The Effect of Cognitive Ability on Wealth, as Mediated Through Scientific Achievement and Economic Freedom” in Psychol Sci. 2011 Jun;22(6):754-63
  12.    www.bpb.de/gesellschaft/bildung/zukunft-bildung/213296/inklusion-worum-es-geht?p=all
  13.    Deutschlandfunk, 27.05.2017, Interview mit Andreas Filler zum Thema Abitur-Prüfungen „Schwierigkeitsgrad ist in den letzten Jahren gesunken“
  14.    www.bildung-forschung.digital/de/der-digitalpakt-schule-kommt-2330.html: Der Bund kümmert sich um die Finanzen für den Aufbau digitaler Bildungsinfrastrukturen und investiert bis zu 5 Milliarden Euro. Den Grundstein legt der Fonds "Digitale Infrastruktur" mit Geldern aus dem Bundeshaushalt 2018 in Höhe von 2,4 Milliarden Euro.
  15.    USA: https://www.nytimes.com/2007/05/04/education/04laptop.html; Australien: 
  16.    U.TRAUTWEIN, O. KÖLLER und J. BAUMERT: „Lieber oft als viel: Hausaufgaben und die Entwicklung von Leistung und Interesse im Mathematik-Unterricht der 7. Jahrgangsstufe“ in Z.f.Päd., 47. Jg. 2001, Nr. 5